** Werbung wegen Markennennung **
Ich bekomme tatsächlich immer wieder nette Anfragen von Menschen, die Klavier spielen lernen wollen ohne ein Instrument zu besitzen und diesen Gedanken auch nicht in Erwägung gezogen haben. Sprich, sie wollen Lernen ohne Üben zu können. Und ja, der gewiefte Leser erkennt eine Spur Ironie in diesem ersten Satz. Aber ersteinmal zur Beantwortung der Frage: Ein ganz klares Nein – so leid es mir tut.
Warum?
Zunächst vielleicht ein paar Gedanken zum Lernen und wie das funktioniert. Informationen kommen in unser Kurzzeitgedächtnis und werden dort ungefähr 18 Sekunden behalten, bevor sie wieder vergessen werden. Um etwas zu lernen muss man nun diese Information ins Langzeitgedächtnis bringen. Und dies geschieht durch Wiederholungen. Dabei werden die Nervenzellen im Gehirn erregt und die Enden der Nervenzellen die mit den anderen Nervenzellen interagieren (Synapsen genannt) schütten vermehrt Botenstoffe aus, vergrößern ihre Kontaktfläche und bilden Verbindungen zu den umliegenden Nervenzellen. So zumindest habe ich das verstanden.
Diese Artikel beschäftigen sich auf eine sehr gut verständliche Art mit dem Thema:
- Quarks Script: Wie wir lernen (WDR, Quarks & Co)
- Wie funktioniert Lernen? (Feldnerkoenig.de)
- Neues vom Gehirn: Wie wir lernen (WDR, Quarks & Co)
Was muss man aber eigentlich lernen, um irgendwann Klavier spielen zu können? Einiges Theoretisches wie Notenlesen, Rhythmuslesen, musikalisch spielen (ich bin der Meinung dafür gibt es “Regeln”, und die kann man lernen), Verständnis für Formen, Harmonielehre… und ganz viel Praktisches. Um ein Stück nach absehbarer Zeit spielen zu können, muss man zudem ein motorisches Gedächtnis entwickeln (wobei es natürlich auch möglich ist, ausschließlich durch Nachahmung ein Stück zu lernen, auf Youtube gibt es genügend Toturials). Und dann muss man noch das Theoretische mit dem Praktischen verbinden, damit man nicht bei jedem Stück immer wieder bei Null anfängt, sondern nach einiger Zeit in einem neuen Stück Bausteine erkennt, die man schon gelernt hat und abrufen kann. Und das soll in 45 Minuten Unterrichtszeit in der Woche passieren, währenddessen der Lehrer vielleicht noch Fehler korrigieren muss, den Schülern zeigen muss, wie man effizient übt… nein, Stopp! Der Schüler hat ja kein Instrument, fällt das schonmal weg… 😉
Ich glaube, ich brauche nicht weiterschreiben. Inzwischen dürfte jedem klar sein, dass Klavier spielen eine hochkomplexe Angelegenheit ist, die sich nicht in weniger als einer Stunde in der Woche erlernen lässt, zudem wir noch einen Punkt haben bisher völlig vernachlässigt haben:
Das Vergessen. Dazu verlinke ich mal die Vergessenskurve von Hermann Ebbinghaus, die natürlich nicht eins zu eins auf klavierspezifisches Lernen angewendet werden kann, da es sich dabei um einen Lernversuch von sinnlose und zufällige Silben handelte. Aber – nach einer Woche dürfte nicht mehr wirklich etwas von dem Gelernten übrig sein.
Ich vergleiche gern das Lernen eines Stückes mit dem Auswendiglernen eines Gedichtes, damit meine Schüler daruf kommen, dass man nur etwas lernen kann, wenn man dies in Abschnitte aufteilt (man erinnere sich an die 18 Sekunden, die eine Information nur im Kurzzeitgedächtnis bleibt). Dann vergleiche ich mal das Vorhaben, Klavier spielen ohne Üben zu lernen, mit dem Auswendiglernen eines langen Gedichtes in einer fremden Sprache in 45 Minuten an einem Tag in der Woche (und ohne Wiederholen während der übrigen 6 Tage.) Geht nicht? Richtig!
Anzeige
Andere Artikel auf diesem Blog
- Besser Klavier spielen – Melodie binden – so klingt es nicht “abgehackt”.
- Dinge, die du vor der ersten Klavierstunde wissen solltest – Basiswissen Klavier (mit kostenlosem Download)
- Die besten Übungen für Anfänger – Dur-Moll-Lagen-Übung mit Rhythmusvarianten
- Die besten Übungen für Anfänger – Dur-Lagen-Übung mit Bonusmaterial
- Spieltechnik – Legato gegen Staccato üben