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Hallo Ihr Lieben,
am Wochenende habe ich mir Georg Boeßners Klavierschule “Modern Piano Method” genauer angesehen. “Modern Piano Method” ist 2012 bei Nordend Music – einem kleinen Frankfurter Verlag – erschienen. Das Heft mit CD ist 144 Seiten dick und zum Preis von 24,95 € erhältlich. Das Preis-Leistungsverhältnis ist meiner Meinung nach absolut in Ordnung.
Ich hatte die Klavierschule zufällig bei Amazon entdeckt und in diesem Artikel davon berichtet. Wie es der Zufall wollte, hat wiederum Georg Boeßner dies entdeckt und den Verlag gebeten, mir ein Rezensionsexemplar zuzusenden. Harald Wingerter, der den Verlag vor wenigen Jahren gründete, hat daraufhin mich “entdeckt” und gefragt, ob wir zusammenarbeiten wollen. Eine kleine Geschichte nebenbei, aber ich möchte, dass ihr wisst, dass ich mir “Modern Piano Method” aufgrund dieser Verbindung nicht wohlwollender als andere Schulen bzw. Noten betrachte.
Georg Boeßner hat Jazz-Klavier studiert und arbeitet als Pianist, Komponist und Arrangeur im Rock-, Pop- und Jazzbereich. Nach über 25-jähriger Unterrichtserfahrung hat er nun seinen pädagogischen Ansatz in “Modern Piano Method” zu Papier gebracht. “Modern Piano Method ist die erste Klavierschule, die neben dem Klavierspiel in der klassischen Notation gleichrangig auch das Spielen nach Akkordsymbolen vermittelt.” (Klappentext) Das finde ich sehr interessant und eben – zeitgemäß. Da wird so mancher klassische Klavierlehrer noch etwas lernen können. Spielen nach Akkordsymbolen kam in meiner Ausbildung nicht vor. Mittlerweile habe ich das aber nachgeholt. 😉
Und bevor ich genauer ins Detail gehe – Georg Boeßner hat seine Arbeit wirklich gut gemacht! Allen Interessierten, die autodidaktisch (nicht-klassisch) Klavierspielen lernen wollen kann ich diesen Weg empfehlen. Der Aufbau der Schule ist logisch und nachvollziehbar, die Stückeauswahl ist durchweg gelungen und ich kann mir vorstellen, dass es großen Spaß macht, mit diesem Heft Klavierspielen zu lernen. Sehr gut gefällt mir auch, dass bei vielen Titeln der CD eine Band mitspielt.
Am Samstag werde ich meinem Kompositionslehrer, ebenso Jazzmusiker, Komponist und Arrangeur wie der Autor der Klavierschule, das Heft mitgeben und bin gespannt, was er als Jazz & Popularmusik-Klavierlehrer zu “Modern Piano Method” sagt. Ich denke, auch in diesem Bereich gibt es großes Interesse an einer guten Klavierschule.
So und nun zum Detail und leider zum Wermutstropfen…
Meine Meinung ist natürlich geprägt von meiner klassischen Ausbildung, obwohl ich vielleicht nur zu 1/3 klassische Stücke unterrichte. Dennoch habe ich beim Durchsehen von “Modern Piano Method” gemerkt, dass Klassiker und Jazzer unterschiedliche Schwerpunkte haben. Zunächst einen Auszug aus dem Vorwort: “Ein Wort an alle klassischen Kollegen: Der Schwerpunkt dieser Schule kann nicht in der klassischen Klavierliteratur liegen. Dennoch lässt sich diese Methode wunderbar mit klassischer Klavierliteratur nach Belieben ergänzen. Ich würde mich freuen, wenn ihr diesen Weg, der die ganze Bandbreite heutiger Musik präsentiert, mitgeht.”
Das würde ich wirklich gern, aber ich kann die Klavierschule so nicht benutzen. Das liegt daran, dass ich auf einige Dinge großen Wert lege, die in der Klavierschule nicht beachtet sind. Natürlich nicht! Popular & Jazzmusiker sind lockerer als Klassiker, das habe ich schon längst eingesehen. 😉 In der Popularmusik liegt der Schwerpunkt auf Spielen, Spaß, Rhythmik, Akkorde, Improvisieren und dem Zusammenspiel mit anderen Musikern. So ist mein Eindruck. Und keines dieser Worte ist in irgendeiner Form abwertend gemeint – falls das jemand so gelesen haben sollte. Als klassischer Musiker bin ich viel genauer. Ich denke sehr genau darüber nach, wie ich einen Ton anschlage, wann ich ihn wieder loslasse, wie laut ich ihn spiele, wie ich ein Stück musikalisch gestalte, wie ich das Pedal benutze usw. . Jazzer machen das einfach intuitiv und über einige dieser Punkte wird wahrscheinlich überhaupt nicht nachgedacht.
Also, was genau funktioniert für mich nicht?
Erstens komme ich nicht damit zurecht, dass ein Großteil der Stücke im non-legato eingespielt wurde, bzw. scheinbar willkürlich an manchen Stellen gebunden und eben an vielen nicht gebunden wird. Eine Melodie im Non-Legato zu Spielen empfinde ich als nahezu unmusikalisch. Und zweitens benutze ich das Pedal anders. Nämlich als nachgetretenes Pedal mit dem Ziel zu binden und nicht als Akzent-Pedal. Die Pedalnotation mit Sternchen und ped. finde ich zudem ungenau und missverständlich. Ich bevorzuge die optisch nachvollziehbarere Version mit Keilen für den Pedalwechsel und Haken für Pedal hoch und (nicht unmittelbar) wieder runter:
Grundsätzlich finde ich es schwierig, wenn Klavierschulen für Unterricht und Selbststudium konzipiert sind. Aber natürlich gibt es für das autodidaktische Lernen einen Markt und der muss bedient werden. Schwierig ist, dass man sich als Lehrer manchmal fast überflüssig vorkommt, wenn eine Schule alles erklärt – und auch unangenehm, wenn Begriffe benutzt werden, die man als Lehrer nicht verwendet und auch nicht verwenden möchte. Über die Bezeichnung G- und F-Schlüssel habe ich mich sehr gefreut. Ich hoffe ja insgeheim, dass die Begriffe Violin- und Bassschlüssel über kurz oder lang wieder ersetzt werden. “Hohle Note” oder “Viertelpuls” gehören aber beispielsweise nicht zu meinem Repertoire. Da müssten die Schüler dann eben umdenken.
Für so dicke Notenhefte bzw. Bücher fände ich eine Ringbindung praktischer. In diesem Zusammenhang möchte ich euch Notenklammern (oder Music Clips) wie beispielsweise die von Gabor empfehlen. Stilsicherer für Pianisten ist wohl aber der Notenclip Flügel! 😉 Auch noch eine Möglichkeit: die Achtelnote. Mir ist die Klavierschule aufgrund der Bindung immer zugeklappt. Mit der Notenklammer ist das nicht passiert.
Die CD enthält 83 Titel, weitere 34 kann man sich auf der Seite des Verlages als mp3 downloaden. Im Anhang der Klavierschule sind die Dur-Tonleitern notiert. Warum die Molltonleitern fehlen kann ich mir nicht recht erklären. Vielleicht weil die Stufenthematik, die man beispielsweise zum Verstehen eines Boogies benötigt in Dur leichter zu verstehen ist.
Ein Interview über Klavierkauf und -pflege mit Christoph Schulz schließt sich im Anhang an. Sehr informativ! Wirklich praktisch und übersichtlich sind die Grifftabellen der Dur- und Mollakkorde in der Grundstellung. Wen das Thema Akkorde noch mehr interessiert, findet vielleicht im Notenchecker Keyboard-Akkorde eine weitere nützliche Hilfe.
Der abschließende Tastenspickzettel mit einer Klaviaturübersicht, Notennamen und Notation ist für Anfänger sehr praktisch.
Die “Modern Piano Method” ist zweifellos eine gute Schule! Wenn ich in Zukunft gefragt werde, welche Klavierschule sich ein Autodidakt anschaffen soll, werde ich diese empfehlen. Für meinen Unterricht funktioniert sie nicht, da ich sehr großen Wert auf Anschlag, Artikulation und Pedal lege. Klavierlehrer, die ihre Schwerpunkte auf andere Bereiche legen, sollten einen Blick in das Heft werfen. Eine Bereicherung für meinen Unterricht ist das Heft auf jeden Fall und ich freue mich darauf, einige Ideen auszuprobieren.
Vielleicht gibt es irgendwann noch eine klassikfreundlichere Edition. 🙂
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Liebe Sandra,
Deine Rezension zu “Modern Piano Method” habe ich zum Anlaß genommen, eben jenes Heft, das schon länger bei mir im Notenregal “wohnt”, wieder hervorzuholen und weiter durchzuarbeiten. Dass in diesem Heft auch das Klavierspielen nach Akkorden behandelt wird, stimmt im Prinzip und war für mich ausschlaggebend für die Kaufentscheidung. Leider bleibt das vermittelte Akkordspiel meines Erachtens auf einem sehr rudimentären Niveau, welches sich darin erschöpft eine Melodie immer zu Taktbeginn (oder bei Akkordwechseln innerhalb eines Taktes auch mal zwischendrin) mit dem Grundton (oder mit Grundton und Quinte) des angegebenen Akkordes zu begleiten. Es wird noch erwähnt, dass es Akkorde in der Grundstellung und in 1. bzw. 2. Umkehrung gibt, aber wann man welche “Stellung” des Akkordes zur Begleitung verwendet, wird schon nicht mehr erläutert. Ansonsten wird erwähnt, dass erfahrene Spieler mit vielen selbst erarbeiteten “Patterns” Stücke begleiten. Da hätte ich mich gefreut, einige solcher Patterns und deren praktische Anwendung kennenzulernen! Leider habe ich solche Beispiele nicht gefunden.
Ich habe daraufhin im Netz mal nach Klavierschulen zum Thema “Akkordbegleitung” gesucht, aber mit magerer Ausbeute. (Es gibt Hefte von Katrin Keyser, die 40 bis 50 Euro (!) pro Heft kosten. Hat jemand Erfahrungen mit diesen Heften? Ansonsten habe ich noch die Barpiano-Schule, Band I von Michael Gundlach gefunden; die hat gute Kritiken, aber da es ja im Titel um “Barpiano” geht, bin ich nicht sicher, ob es das richtige ist.)
Hast Du – oder eine(r) der LeserInnen dieses Blogs – noch einen Tip?
Liebe Grüße
Kirstin
Liebe Kirstin,
die “Modern Piano Method” ist eine Klavierschule mit der Anfänger Klavierspielen lernen sollen. Natürlich auf sehr rudimentärem Niveau. Ich fürchte, Du gehörst hier nicht zur Zielgruppe. 😉
Die Barpiano-Schule von Michael Gundlach habe ich noch nicht, aber dieses Jahr wird sie sicher in meinem Notenregal landen. Ich besitze aber “Pop-Piano in der Praxis – Band 1”. Das könnte Dir weiterhelfen!
Das amerikanisches Heft “How to Play from a Fake Book” habe ich ebenfalls, aber da finde ich das Heft von Michael Gundlach freundlicher aufbereitet.
Wenn man richtig nach Akkordsymbolen spielen lernen möchte und Motivation braucht, ist ein guter Klavierlehrer in der Richtung Jazz-Pop zu empfehlen! Ich jedenfalls bin froh, den Richtigen gefunden zu haben. 🙂
Viele Grüße,
Sandra