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Wo und seit wann unterrichtest Du?
Ich unterrichte seit 2008 als freier Mitarbeiter an der Musikschule Oder-Spree “Jutta Schlegel” (http://www.musikschule-los.de) in Schöneiche bei Berlin. Derzeit sind es zwei Tage direkt in der Musikschule und ein Tag in der Grundschule Woltersdorf.
Wen und was unterrichtest Du?
Ich habe Schüler jeder Altersgruppe vom Vorschulkind bis zum Erwachsenen. Neben Klavier unterrichte ich Keyboard und Bassgitarre. Überwiegend gebe ich Einzelunterricht, leite allerdings seit einem Jahr auch die „Musikschulband“. Ich bin schon zu meiner Zeit als Musikschüler mit sehr vielen Musikstilen in Berührung gekommen, so dass ich meine Schüler sowohl mit Klassik als auch Pop und Jazz konfrontiere. Jeder soll die Chance haben, seine Lieblingsmusik(en) zu entdecken. Bei meinen Jugendlichen ist Filmmusik sehr beliebt.
Improvisation ist für mich ein spannendes Thema. Vielen Schülern fehlt der Mut „frei“ zu spielen und ich konnte noch nicht jeden überzeugen. Ich unternehme immer wieder Versuche nach unterschiedlichsten Systemen, vom freien Spiel nach einer vorgegebenen Geschichte über Blues bis hin zu akkordorientierter Improvisation. Manchmal nehme ich Ausschnitte auf und die Kinder versuchen hinterher Stellen zu entdecken, die ihnen besonders gut gefallen. Manchmal arbeiten wir diese dann zusammen zu einer Komposition aus.
Was sind Deine wichtigsten Ziele im Unterricht?
Ich lege viel Wert auf Eigenständigkeit. Ich erkläre einiges, lasse dabei aber auch viel Platz für’s selbst Entdecken. Das meiste lernt der Mensch (nachweislich) aus Fehlern, so dass ich auch schon mal jemanden 1-2 Wochen mit einem falschen Fingersatz leben lasse, bevor die Offenbarung stattfindet.
Mein Schüler müssen einiges selbst erarbeiten und wir diskutieren auch gemeinsam den ein oder anderen theoretischen Aspekt. Bei letzterem lege ich großen Wert darauf, den praktischen Nutzen sofort klarzumachen.
Was gefällt Dir an Deinem Beruf am meisten?
Ich liebe es Menschen beim Lernen zu beobachten und mag die Herausforderungen, die entstehen. So kann eine Herangehensweise für viele Schüler gut funktionieren und für einige gar nicht. Für die lasse ich mir dann etwas anderes einfallen. Hier ist einfach enorm viel Platz für kreative Arbeit, und ich denke schon immer gerne nach.
Unterrichtest Du ausschließlich oder hast Du noch weitere Beschäftigungsfelder?
Eigentlich bin ich studierter Tonmeister, habe aber festgestellt, dass mich die Musikschularbeit, das Lernen und Lehren auf Dauer am meisten fesseln konnte. Trotzdem schläft das Tonmeisterliche nicht komplett. So bin ich als fester Techniker (im Studio und Live) bei der A Cappella Gruppe VocaYou (http://vocayou.de) engagiert oder produziere CDs mit Kinderliedern in Zusammenarbeit mit Tina B. Lauffer (z.B. https://soundcloud.com).
Meine letzte große Leidenschaft ist das Programmieren für iOS. Auch hier dreht sich alles um Musik. Meine beliebteste App ist „Noten lesen“. Was genau daran so besonders ist, wäre ein eigenes Interview wert. Wer sich dafür interessiert, darf gerne meine Seite http://herrdertoene.de besuchen.
Welche Hefte sind aus Deinem Unterricht nicht wegzudenken?
Besonders gerne arbeite ich mit den microjazz-Heften von Christopher Norton, weil ich sie selbst als Kind so geliebt habe. Für die jüngeren arrangiere ich bekannte Kinderlieder selbst oder greife hier und da auf die russische Klavierschule zurück.
Welche Kriterien hast Du an Noten?
Das wichtigste für mich ist, dass die Lieder toll sind. Wenn der Schüler von einem Stück begeistert ist, ist das die beste Lernmotivation. Wenn mich irgend etwas an den Noten stört, schreibe ich sie kurzer Hand neu. Sind Noten unnötig kompliziert (Flohwalzer), zeige ich Stücke auch gerne mal ganz ohne Noten.
Fingersätze lasse ich in der Regel bewusst weg, um sie mit den Schülern gemeinsam zu entdecken.
Wer oder was inspiriert Dich oder hat Dich geprägt?
Besonders inspirierend fand ich den Unterricht bei Wolfgang Bernstein, bei dem ich etwa zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr Unterricht hatte. Ich war schon sehr fortgeschritten und lernte fast wöchentlich ein neues Stück. Er wurde nie müde, neue Werke für mich zu suchen und manchmal entstand zwischen uns ein regelrechter „Übe-Wettkampf“. Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat, aber ich fand einfach jedes Stück, das er ausgesucht hat, großartig!
An der Universität der Künste hatte ich klassischen Klavierunterricht bei Astrid Lietz. Sie hatte es nicht leicht mit mir. In meiner Jugend wurde ich verpflichtet jedes Jahr bei Jugend Musiziert teilzunehmen, obwohl ich für klassische Musik keine große Leidenschaft hegte. Von Begeisterung keine Spur. Mit einer Engelsgeduld hat Frau Lietz dann auf immer neuen Wegen versucht, mir die klassische Klavierlektüre schmackhaft zu machen und es schließlich geschafft. Sie hat mich gelehrt, worin die Faszination der jeweiligen Epochen besteht und mir gezeigt, wie man große Klavierwerke mit einem sicheren Gefühl auswendig spielen kann.
Seit einigen Jahren verfolge ich außerdem Erkenntnisse in der Psychologie und den Neuro-Wissenschaften. In diversen Büchern wie z.B. „Mindset“ von Carol Dweck, „Konzentriert euch“ von Daniel Goleman oder „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahneman ist wundervoll beschrieben, wie unser Gehirn eigentlich arbeitet und welchen Denkfehlern wir täglich unterliegen. Das hat mich für das Unterrichten, aber auch für die eigene Arbeit unheimlich inspiriert.
Gibt es einen Themenbereich, mit dem Du Dich noch näher beschäftigen möchtest?
In diesem Schuljahr stehe ich vor der Herausforderung das erste mal eine größere Anzahl von Kindern zwischen 5-7 Jahren zu unterrichten. Für mich ist also im Moment der Umgang mit Kindern, die kaum oder gar nicht Lesen und Schreiben können, besonders interessant und wird mich sicher noch einige Zeit beschäftigen.
Fällt Dir eine besonders schöne, lustige oder traurige Anekdote ein?
Einmal habe ich eine Schülerin von einem anderen Lehrer übernommen. Ihr war verboten worden, auf die Tasten zu sehen und Fehler wurden harsch kritisiert. Sie starrte nur das Notenblatt an. Das Schlimme: Sie konnte die Noten nicht lesen. Sie hatte also sowohl keinen Bezug zum Instrument als auch zu den Noten, so dass sich längst ein Gefühl von Unzulänglichkeit breit gemacht hatte.
Für mich war das eine Erinnerung daran, welche Verantwortung wir als Lehrer haben. Regeln sind wichtig, verwendet man sie jedoch als Ultimatum, können sie Angst und ein Gefühl von Dummheit provozieren. Wer das wissenschaftlich belegt wünscht, schaut sich auf Youtube Videos von Gerald Hüther an, der Spezialist auf diesem Gebiet ist. Es hat Jahre gedauert, um am Instrument das Selbstvertrauen der jungen Dame wieder herzustellen und sie nicht über jeden Fehler frustriert zu erleben.
Was würdest Du Berufsanfängern gern mit auf den Weg geben?
Erwartet nicht, von Anfang an der beste Lehrer zu sein. Gebt euch Zeit, seid geduldig und stets wachsam. Der Schlüssel zu einem erfüllten Lehrerleben ist ständiges nachbessern.
PDF-Dateien zum Downloaden und Ausdrucken
Noten Skarabaeus & Euer Majestaet
(am Klavier: Sandra Labsch)
Mehr über Sebastians Arbeit erfahrt ihr auf
www.herrdertoene.de
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Hallo!
Ein sehr interessantes Interview habt ihr da gestaltet, ganz toller Lehrer!
Vielen Dank an Sebastian für die wunderschönen Lieder, “Euer Majestät” hat mich direkt zu Tränen gerührt (natürlich auch, weil du es so schön gespielt hast Sandra *g*)
Schönes Wochenende und liebe Grüße
Ich muss Sebastian in dem Punkt mit der Verantwortung ganz massiv widersprechen:
http://www.gitarrenunterricht-frankfurt.de/2016/11/04/es-liegt-etwas-im-argen/
Hallo Stephan,
da Du Sebastian “massiv” widersprechen musst, hat der Lehrer gegenüber dem Schüler kein Verantwortung?
Du stellst die These auf, dass der Schüler nicht (mehr) durch den Lehrer beeinflusst werden kann. Das ein Lehrer kein Selbstvertrauen beim Schüler auf- oder auch abbauen kann.
Doch erst einmal gilt es die verschiedenen Rahmenbedingungen festzulegen. Denn es gibt unterschiedliche Anforderungen und (Lern)Situationen.
Beispiele:
– Im Musikunterricht in der Schule
— hier hat der Lehrer natürlich stark auf die Einhaltung der Regeln zu achten, da er die Schüler “objektiv” bewerten muss. Dazu wird er die Regelverletzungen der Schüler als Bewertungskriterium heranziehen. Hier besteht das Ziel, die Schüler anhand der Ergebnisse zu bewerten (über einen Kamm zu scheren). Die Schüler stehen in dieser Situation im Wettbewerb zueinander und verstehen auch, dass alle Schüler unterschiedlich sind. Sogar in dieser Situation kann der Lehrer Selbstvertrauen aufbauen: “Du hast dich toll angestrengt, und alles für dich Mögliche erreicht. Weiter so!”
– Im Einzelunterricht mit jungen Schülern / Kindern
— Es ist ein sehr starkes Vertrauensverhältnis zwischen Schüler und Lehrer von Nöten. Hier liegt es stark in der Verantwortung des Lehrenden, den Schüler nicht zu überfordern und damit auch Regeln “hintenan zu stellen”. Es ist aber wichtig, die Regeln und die dahinterstehenden Strukturen zu erklären. Dann wird der Schüler auch ein Verständnis zu den Regeln entwickeln und er freut sich ganz besonders, wenn es ihm gelingt, die Regeln zu befolgen.
– Einzelunterricht mit Erwachsenen
— Hier gibt es nur die Regeln, die der Schüler akzeptiert. Der Lehrende ist ein reiner Dienstleister. Der Schüler bestimmt, welche Regeln er akzeptiert. Natürlich kann der Lehrer in Maßen auf den Schüler einwirken und eine Sinnhaftigkeit der Regel erklären und dadurch beim Erwachsenen durchsetzen. Man hat schließlich ein Unterrichtsziel vereinbart.
— Auch, oder gerade in dieser Lernsituation kann der Lehrer Selbstbewusstsein beim Schüler auf- oder abbauen. Der Weg ist relativ simpel. Erklärt der Lehrer die zur Zeit bestehende Lernsituation und die daraus resultierende “Unfähigkeit” des Schülers, die geforderten Regeln nicht einhalten zu können, braucht der Lehrer nur noch den Weg zu erklären, wie der Schüler das Ziel (Beachtung und Einhaltung des Regelwerkes) erreichen kann. Damit wird das Selbstvertrauen des Schülers in sich gestärkt und das Ziel rückt in den Vordergrund.
Selbstbewusstsein ist für mich immer nur ein zeitweiliger Zustand. Je selbstbewusster ich bin, um so weniger kann man mich in meinem Selbst “destabilisieren”. Es wird aber immer möglich sein, mein Selbstbewusstsein zu stärken oder zu schwächen.
So, ganz schön viel geschrieben…
Guido
Danke Stephan und danke Guido für eure Gedanken zu meinem Beitrag! Ich habe Stephans Blog-Post kommentiert.
Ich finde die Punkte die Guido genannt hat richtig. Es hängt ja auch stark davon ab, welche Regeln man etabliert und ob der Schüler deren Sinn versteht. Die Tasten zu verdecken sollte wahrscheinlich zum einen dafür sorgen, dass die Schülerin sich mehr mit den Noten auseinandersetzt und zum anderen, dass sie lernt “blind” zu spielen.
Nur wenn sie das nicht weiß, findet sie es zunächst einfach doof, anstrengend und frustrierend. Wird dann über Wochen hinweg immer das selbe gemacht, ohne erkennbare Fortschritte, etabliert sich diese Frustration und die Schülerin verliert das Selbstvertrauen. Sie denkt, es läge an ihr.
Wenn das nicht aus der Verantwortung des Lehrers gegenüber der Schülerin entsprungen ist, woraus dann?
Sagen wir es mal so rum, wenn die Schülerin [em] jahrelang [/em] danach immer noch frustriert reagiert, dann muss es einen extremen Impact gegeben haben oder die Folgemaßnahmen waren nicht so toll. Oder hier wird aus einer Mücke ein Elephant gemacht oder die ganze Geschichte falsch gedeutet.
Bei dem Material und der Ausbildung, die uns heutzutage zur Verfügung steht, muss man sich extrem dumm anstellen, um den Schüler zu überfordern oder ihn an die Wand zu fahren. Was ihr hier erzählt sind mittlerweile Binsenweisheiten des pädagogischen Handelns.
Also tut bitte nicht so, als wäre das eine große schwierige Aufgabe. Da ich diesem Beruf seit ca. 25 Jahren nachgehe, ihr macht euch Sorgen um einen Extremfall, der sehr selten vorkommt.
Verantwortung hat man, wenn bleibende und/oder gravierende Schäden entstehen.
Es gab mal eine Zeit, da war Wundversorgung im Alltag ein großes Thema. Jetzt ist Wundversorgung dank guter Verhältnissen kein Thema mehr. Ihr macht euch Sorgen um Sachen, um die man sich eigentlich keine Sorgen mehr machen muss.
Mein Job dass der Schüler ein positives musikalisches Erlebnis hat und er hat die Wahl, ob sich für ihn der Aufwand lohnt oder nicht.
Warum sollte diese Schülerin vermutlich blind spielen?
Die visuelle Steuerung von Bewegungen ist leichter als die kinästhetische. Denn eine visuelle Vorstellung einer Bewegung zu generieren ist leichter als eine kinästhetische. Letztere wird durch den Bewegungslernprozess erst erarbeitet. Deswegen lassen sich visuell kontrollierbare Bewegungen schneller lernen als Bewegungen, die nur über das Körpergefühl kontrolliert werden können.
Aber werden Bewegungen nur visuell kontrolliert bekommen sie nicht die Bewegungskonstanz wie kinästetisch kontrollierte Bewegungen.
Das Problem ist, dass man an dem leichteren Steuerungsprozess der visuellen Kontrolle hängen bleibt und die Bewegungen deswegen nicht so gut gelernt wird.
In der Praxis bedeutet das bei mir, der Schüler pendelt mit seinen Augen zwischen Instrument und Noten.
Obwohl der Schüler sich sicherer fühlt, verliert er andauernd den Faden. Also versucht er auswendig zu spielen. Und ich erzähle ihm dann in der nächsten Woche, dass über die Hälfte des Stückes falsch eingeübt worden ist. Deswegen heißt die Devise, führe den Schüler nicht in Versuchung, sich selbst ins Verderben zu reiten.
Aus meiner Erfahrung heraus, wie wenig Probleme das Blindspielen in der Praxis erzeugt, wundere ich mich schon, dass da jemand so gescheitert sein soll. Egal ob erklärt worden ist, warum das sinnvoll ist oder nicht.
Dann Sebastian noch eine Info, dass die Schülerin erzählt, dass ihr das nicht erklärt worden ist, bedeutet noch lange nicht, dass ihr das nicht erklärt worden ist. Du wirst im Laufe der Jahre noch feststellen, was Du alles nicht erzählt haben sollst.
Kleiner Gedankensprung.
Vielleicht habe ich den Vorteil, dass ich eine Ausbildung als Instrumentallehrer habe und uns in der Ausbildung eingetrichtert worden ist, der Schüler muss immer mit dem Eindruck aus der Stunde gehen, dass Sie ihm ein Stück weitergeholfen haben und mich gezwungen hat, mich mit solchen Dingen zu beschäftigen, was hilft dem Schüler konkret am Stück weiter.
Der Lohn dieser Einstellung ist, dass man sehr viele schöne Erlebnisse mit Menschen hat. Macht mir der Unterricht Freude, hat der Schüler auch Freude.
Guten Morgen Stephan,
auch wenn ich Deine Kommentare sehr wohlwollend lesen, vermittelt sich mir immer wieder ein Gefühl, dass Du denkst, ein besserer Lehrer als wir zu sein, als die meisten Kommentierenden hier und mehr Ahnung zu haben als die meisten Kommentierenden hier. Das gefällt mir nicht und ich bitte Dich, einen wertschätzenden Ton zu wahren. Als Gitarrenlehrer bist Du weder zur Gänze mit den Probleme der Klavierlernenden vertraut, noch kennst Du all die Literatur, die uns Klavierlehrern für den Unterricht zur Verfügung steht.
Was die Verantwortung eines Lehrers oder eines Menschen im Allgemeinden betrifft denke ich, dass man bereits mit einem Satz das Leben eines Menschen verändern kann. Egal ob in eine positive oder in eine negative Richtung. Wie sehr sich ein Mensch von einem anderen beeinflussen lässt, hängt mit dessem Alter zusammen und der Bedeutung, die er dem anderen beimisst.
Ich überlege also sehr gut, was ich zu jemandem sage und wie ich Dinge formuliere, denn ich weiß nicht, wie wichtig ich für den anderen bin und wie mein Wort somit gewichtet wird.
In den letzten 15 Jahren Unterrichtserfahrung ist es mehr als einmal vorgekommen, dass ein Klavierschüler von einem Tag auf den anderen mit Klavierspielen aufgehört hat, weil ein Elternteil einen unüberlegten Kommentar abgegeben hat.
Gruß aus Mannheim,
Sandra
Ist schon eine Weile her, Sandra, aber ich stimme Dir trotzdem noch im Nachhinein zu.
Zitat:
dass die Schülerin erzählt, dass ihr das nicht erklärt worden ist, bedeutet noch lange nicht, dass ihr das nicht erklärt worden ist.
Das ist durchaus wahr. Aber nur, weil es ihr (vielleicht) erklärt worden ist, heißt das noch lange nicht, dass sie es begriffen hat. Wenn sie immer sehr harsch kritisiert worden ist, hat sie vielleicht einfach genickt und so getan, als hätte sie es begriffen, hat aber kein Wort verstanden. Das heißt, der Lehrer hat es ihr falsch erklärt (falls er es erklärt hat).
Und das liegt durchaus in seiner Verantwortung. Denn es kommt nicht darauf an, was man jemandem erklärt oder ob man jemandem etwas erklärt. Es kommt darauf, was bei dem Menschen ankommt. Wenn das ein Lehrer nicht sieht oder sich nicht darum kümmert, dass er verstanden wird, die ganze Verantwortung auf den Schüler abschiebt, dann ist er kein guter Lehrer.
Aus vielen Forschungen weiß man mittlerweile, dass ein unfreundlicher Umgang die Möglichkeit, Informationen aufzunehmen, auch völlig blockieren kann. Das Gehirn schaltet dann völlig ab, und es geht nichts mehr. Insbesondere bei Kindern, denke ich, aber durchaus auch bei Erwachsenen. Ich persönlich bin schon sehr erwachsen, fast im Rentenalter, und trotzdem könnte ich mit einem/einer Klavierlehrer/in nichts anfangen, der/die mich harsch kritisiert. Das würde mich frustrieren und mir den Spaß verderben. Wie schlimm muss das dann erst für ein Kind sein?
Auf der anderen Seite erwarte ich von einem/einer Klavierlehrer/in aber auch, dass sie mich nicht unterfordert. Denn das verdirbt mir auch den Spaß. Ich kenne mich nicht mit der Klavierliteratur aus, die ich auf meinem Wissensstand oder auf dem Stand meiner Fähigkeiten spielen kann. Ich höre vielleicht ein Stück, das ich gern spielen möchte, das ist aber zu schwer für mich. Oder ich spiele etwas und bekomme nur immer zu hören, wie gut ich das mache, weil das Stück viel zu leicht für mich ist. Das wäre auch nicht gut, denn das würde mich trotz des Lobes frustrieren, weil ich selber das Gefühl hätte, nichts geleistet zu haben oder das Lob nicht verdient zu haben.
Es liegt meiner Meinung nach in der Verantwortung des/der Klavierlehrers/-lehrerin, sich in der Klavierliteratur auszukennen und mir genau die Stücke herauszusuchen, die mich zwar herausfordern, die aber auch für mich machbar sind. Nach einer absehbaren Zeit des Übens. Denn das kann ich selbst nicht entscheiden, weil mir dazu das ganze Hintergrundwissen fehlt.
Ich möchte mich mit den Stücken nicht langweilen und ich möchte auch nicht von den Stücken überfordert werden. Ich möchte nicht monatelang an einem Stück üben müssen, um es halbwegs spielen zu können. Wenn ich ein Stück länger als zwei oder drei Wochen üben muss, dann ist es wahrscheinlich zu schwer für mich. Und das würde mich frustrieren. Nach zwei oder drei Wochen möchte ich dann schon zu einem neuen Stück übergehen. Denn die Stücke, die ich momentan spielen kann, sind immer noch sehr kurz.
Aber selbst, wenn ich in Zukunft einmal längere Stücke spielen kann, möchte ich daran nicht monatelang üben. Ich möchte effizient üben und das Bestmögliche in der kürzestmöglichen Zeit erreichen. Anders als ein Kind habe ich nicht mehr endlos viel Lebenszeit vor mir, und diese restliche Lebenszeit möchte ich möglichst effizient nutzen, damit ich in einem Jahr oder in zwei Jahren tatsächlich ordentlich Klavierspielen kann, nicht erst in zehn Jahren oder zwanzig. Wer weiß, ob ich dann noch lebe? 😉
Um das zu erreichen, brauche ich eine fähige Lehrerin. Allein kann ich das nicht schaffen.