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“Kids in Concert” von Anita Ramade-Etchebarne ist 2012 bei Bärenreiter erschienen. Ich habe mir das Heft vor knapp einem Jahr in Berlin zum günstigen Preis von 8,50 Euro gekauft. Zehn Klavierstücke auf 14 Seiten netto enthält “Kids in Concert”. Die Stücke sind drei Zeilen bis zwei Seiten lang und enthalten alle nötigen Fingersätze. Mit Pedal wird nicht gespielt. Das Heft hat ein schönes Format, macht einen hochwertigen Eindruck und enthält Zeichnungen von Urs Sandmeier, über die sich die Kids wahrscheinlich köstlich amüsieren. Die Noten sind relativ groß und gut zu lesen. Das Notenbild ist übersichtlich und ansprechend. Sehr schön!
Bärenreiter hat scheinbar keine große Erfahrung mit moderner pädagogischer Literatur. Nur zwei Hefte für Klavier konnte ich im Programm finden. Ready to Play heißt die Reihe, die sich durch viele Instrumente und Besetzungen zieht und sie wird folgendermaßen beschrieben: “Ready to Play: Das heißt Spielfreude von der ersten Note an. Kaum sind die Noten aufgeschlagen, kann es schon losgehen. Und wenn doch einmal nicht alles sofort klappt, macht sogar das Üben Spaß!” (Rückseite)
Die Komponistin Anita Ramade-Etchebarne lebt und unterrichtet in der Schweiz. Sie erhielt ihre klassische Ausbildung in Paris, studierte Zeitgenössische Musik in Basel und Jazz in Luzern.
Das Vorwort von Anita Ramade-Etchebarne lautet: “Welches kleines Kind freut sich nicht, sofort etwas zu können und es zu zeigen? Diese Serie von leichten Klavierstücken widme ich den kleinen Kindern, die sich freuen, Klavier zu spielen. Obwohl Kinder noch keine Kenntnisse über Tonsatz besitzen, habe ich diese Stücke trotzdem stilgerecht geschrieben. Es ist offensichtlich, dass die Lehrperson als Pädagoge beim Erlernen dieser Stücke hilfreich ist. Dann los, viel Spaß und viel Freude beim ersten Vorspiel.”
In beiden Texten stört mich das Wort “sofort”. Ich habe selten erlebt, dass etwas sofort klappt. Bausteine ja, aber ganze Stücke? Und wie fühlt sich der des Lesens mächtige Lernende, wenn es eben nicht alles sofort klappt? Wahrscheinlich ziemlich frustriert. Gut, dass Kinder sich in der Regel weder für Vorworte noch für Klappentexte interessieren. 😉 An dieser Stelle ein Dankeschön an die Autorin, dass sie trotz fehlender Tonsatzkenntnisse der Zielgruppe stilgerecht komponierte.
Das Mädchen auf dem Cover finde ich wirklich hübsch. Aber jedes Mal wenn ich einen Blick auf das Foto werfe, denke ich: Mädel, Du sitzt viel zu tief. Naja, Vielleicht steht sie ja auch. 🙂 Ich glaube, die Kleine saß für’s Foto zum ersten Mal an einem Klavier.
In Berlin habe ich die Stücke des Heftes angespielt. Der erste Eindruck war auf jeden Fall positiv, aber er konnte sich nicht halten. Warum erläutere ich nach den Hörbeispielen. Diesmal habe ich alle (zehn) Stücke aus dem Band aufgenommen:
Mir gefallen zwei Stücke sehr gut. “Im Zug” und “Der Elefant Kari” sind wirklich stimmige, kleine Kompositionen. Mit den restlichen Stücken habe ich das ein oder andere Problem.
Zwei Gedanken sind mir immer wieder im Kopf umhergeschwirrt. Mögen Kinder wirklich so tiefe Stücke bzw. Passagen? und: Mögen Kinder so laute Stücke? Ich hätte genau auf das Gegenteil getippt. Was sagen die Kollegen mit einer Ausbildung in Elementarer Musikpädagogik? Ich vermisse leise Stücke. Obwohl – für’s Konzert sind laute Stücke nicht verkehrt. Und das ist doch das Thema.
Der Punkt, der für mich das Heft zu einer Enttäuschung macht ist das Problem, dass in zwei Stücken häufig ein und derselbe Ton von beiden Händen unmittelbar nacheinander angeschlagen werden soll. Das funktioniert einfach nicht. Ich würde es damit vergleichen, jemandem ein Bein zu stellen. Beispiele gefällig?
“Kindertanz” – Takt 3 + 4:
Die Legatobögen sind doch schon fast ironisch, oder? 🙁 Natürlich muss man das Ais in der linken Hand loslassen, bevor es die rechte Hand erneut anschlagen kann.
“Galopp” – Takte 1 -3:
Ich hätte mir gewünscht, dass Pausen gezielter eingesetzt werden. Zum Beispiel um das Ende einer Phrase (welche durchweg mit Phrasenbögen gezeigt sind) zu verstärken. Im ersten Stück “Apachen Song” fehlt unbedingt eine Pause, wenn die Melodie in der rechten Hand wieder aus der großen Oktave in die eingestrichene Oktave wandert.Takte 11-13:
Dieses Problem sehe ich auch im Stück “Die Oma“. Die rechte Hand wandert vom G-Schlüssel in den F-Schlüssel (greift über die linke Hand). Dafür wurde keine Pause eingeräumt. Nur beim Zurückgreifen gibt es eine Pause.
Bei “The Ballad of King Henry” hätte ich mir auch Pausen gewünscht. Jedes Mal, wenn die Melodie den Auftakt (zwei Viertel) spielt. So geht es nämlich auch los. Mit einem unbegleiteten Auftakt. Vielleicht wollte das die Komponistin so. Ich habe beim Aufnehmen festgestellt, wie sehr ich mich zwingen muss, die Quinte nicht beim Auftakt loszulassen.
Mehrere zweistimmige Stellen gibt es. Beispielsweise in der linken Hand von “Die kleine Nachtmusik“. Dort sind die ersten drei (von vier) Zeilen fast komplett zweistimmig notiert. Im Takt 7 ist etwas schiefgelaufen. Das Fis drei Pulsschläge zu halten, macht natürlich keinen Sinn, zumal das G auf dem dritten Pulsschlag wieder mit dem kleinen Finger gespielt werden soll. Auch stört mich die fehlende Beruhigung in der linken Hand am Ende des ersten Teiles in diesem zweiteiligen Stück. Ich habe Takt 7 und 8 als Notenbeispiel notiert und durch einen Doppelstrich abgegrenzt meinen Vorschlag.
Ich finde es musikalisch sinnvoll, das Ende einer Phrase oder eines Teiles durch längere Töne zu verdeutlichen. Sofern das möglich ist. Das Ende von “Apachen Song” finde ich ähnlich unbefriedigend. Mir fehlt hier ein längerer Ton bzw. eine längere Quinte.
Auch im “Basil Boogie” findet sich Zweistimmigkeit. Diesmal in der rechten Hand. Die Stelle finde ich nicht leicht zu spielen. Ob das Kinder, die erst seit Kurzem Klavier spielen wirklich hinbekommen? Takte 5-7:
Hübsch klingt das auf jeden Fall. Ach – ein Fehler ist mir in diesem Stück noch aufgefallen. Das Ende des Motives in der linken Hand ist bis auf einmal immer mit einer halben Note notiert. Im Takt 11 steht nur eine viertel Note. Das ergibt meiner Meinung nach keinen Sinn. So sieht das Motiv aus:
Das waren die wichtigsten Gedanken zu den Stücken. Ich hoffe, ihr könnt sie nachvollziehen. Schade, dass “Kids in Concert” nicht so rund ist, wie ich es mir gewünscht hätte. Für mich sind der größte Minuspunkt die Tonwiederholungen. Da ist Stolpern eigentlich vorprogrammiert. Eigentlich hat ein Klavier genug Tasten – da hätte man auch eine andere finden können. 😉
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